Das Institut von Lisa Spalt

Das Institut von Lisa Spalt.

Die ganze Welt besteht nur noch aus einer einzigen Stadt, sinnigerweise Lands getauft. Regiert wird diese Stadt-Welt von Diktator Cramp. Der Diktator ist aber keine Einzelperson, sondern viel eher die Versinnbildlichung des Bösen, die auf vielfältige Weise erscheinen kann:

Möglich wird diese Vielfalt des Bösen durch die komplette Macht der Sprache. Alles kann geschaffen werden, man braucht nur die richtigen »Worte« dafür zu finden. Diesem weltumspannenden Bösen stellt sich das IPA entgegen, das Institut für poetische Alltagsverbesserung.

Dessen Gründerin Lisa Spalt erzählt als Ich-Erzählerin in 139 nummerierten Abschnitten von dieser dystopischen Welt. Dies geschieht weder chronologisch, noch in einem zusammenhängenden Narrativ. Denn das mit den Gattungsbezeichnungen moderner Literatur ist ja so eine Sache. Hier proklamiert das Werk selbst, es sei ein Roman. Aber bei genauerem Hinsehen entdeckt man auf der Verlagsseite ein vermutlich älteres Cover, welches noch die Bezeichnung “Essay-Roman” trägt. Die Macher haben sich also noch umentschieden, was das Buch denn überhaupt sein soll. Wenn ein Roman einfach ein längeres Prosawerk ist, nun ja, dann ist dieser Text natürlich ein Roman. Aber eine Geschichte im eigentlichen Sinne gibt es hier nicht. Genauso wenig wie es Figuren gibt. Trotzdem gibt es Figurenkonstellationen und in der Erzählerin so etwas wie eine Hauptfigur, die aber nicht erlebt, sondern nur erzählt. Lustigerweise also die typische Rolle einer Erzähler*in in der dritten Person einnimmt. Essay-Roman trifft es also schon besser; Länge eines Romans, Narration und Figuren von Essays.

Das Institut ist ein tosender Bach von Einfällen, Ideen und Metareflexionen. Und furchtbar anstrengend. Poesie kann in dieser Welt alles, das wird immer wieder durchaus witzig in Szene gebracht und gerade Cramp als das unpersonifizierte, allumspannende Böse ist ein spannendes Konstrukt. In der Masse ist das dann aber zu wenig, um wirklich zu unterhalten. Denn wie dies bei tosenden Bächen so der Fall ist, ihre Urgewalt ist nicht immer angenehm. Hier ist sie oft erschlagend und erdrückend, auch weil der Text keine Rettungsanker offeriert. Es reiht sich Metaebene an Metaebene, überspannt von einer Metareflexion. Das ist grossartig konstruiert und sprachlich grösstenteils gut umgesetzt, keine Frage, es bleibt aber ein tosender Bach, der sich weder der gemütlichen Freizeitschwimmer*in, noch der durchtrainierten Ärmelkanaldurchquerer*in als Schwimmunterlage wirklich anbietet.

Symptomatisch lässt sich meine Anstrengung mit diesem Werk an einem sprachlich-typographischen Element illustrieren: Es wird häufig mit Anführungszeichen gearbeitet. Im oben zitierten Ausschnitt etwa, werden die Wörter ausgesuchte und Plattheit aus dem ursprünglichen Satzkontext gelöst und als Begriffe auf eine Metaebene gesetzt. Dies einerseits, um auf andere Begriffsverständnisse der beiden Wörter zu verweisen und andererseits, um die Macht der Sprache im Werk zu unterstützen. Die Sprache hat im Roman nämlich eine ursprüngliche Kraft (im genauen Wortsinn) und kann Dinge aus dem Nichts kreieren. Mit einer solchen Massnahme wird der Lesefluss bewusst gebrochen. Das ist grundsätzlich völlig in Ordnung, wenn es aber in jedem zweiten Satz passiert, eher mühsam. Und so verhält es sich mit vielen Einfällen und grundsätzlich spannenden Ideen, die im Buch auftauchen, sie werden schlicht zu häufig eingesetzt.

Lisa Spalt hat einen »Roman« geschrieben, der auf einer spannenden Ebene beginnt, sich aber schnell in sphärische »Metareflexionen« hochschraubt. Durch dieses »Dickicht« an Ideen, Anspielungen und »Poetereien« wird der ursprüngliche Grundgedanke, derjenigen der Macht der Sprache, leider übertüncht und verschleiert. Manchmal ist weniger mehr.

Das Institut von Lisa Spalt.

Lisa Spalt: Das Institut.

168 Seiten.

Czernin.

Webseite zum Buch

Zum Buch: bedruckter Schutzmschlag · geprägter Einband (Karton) · Klebebindung

Mehr über die Bücher des Czernin Verlages:
1999 hat Hubertus Czernin in Wien den nach ihm benannten Czernin Verlag gegründet. In den ersten Jahren wurden fast ausschliesslich Sachbücher veröffentlicht, die besonders für 'unbequeme Themen [...] sensibilisieren' sollen. Seit 2005 wird aber auch vermehrt Literatur verlegt, beispielsweise in der Lyrik-Reihe des Verlages.