Nationaltheater in der Provinz

Die Wandelbaren von Eleonara Hummel

In der Steppe Kasachstans werden in den 80er Jahren einigermassen begabte Nachkommen der deutschen Minderheit gesucht, um sie zu sowjetischen Nationalschauspielern auszubilden. Ausgehend von dieser historischen Begebenheit entwirft Eleonora Hummel in der Folge einen amüsanten und ausschweifenden Roman.

Nationaltheater in der Provinz

Das Bungert-Bübele bildet zusammen mit ein paar weiteren Jungen und Mädchen vom Feld den Reigen an Figuren, die durch dieses Theater tanzen. Ein deutschsprachiges Nationaltheater soll eröffnet werden und sie, die ersten Abgänger des entsprechenden Lehrgangs der nationalen Schauspielschule in Moskau, sollen die Besetzung dafür sein. Die meisten von ihnen sind zwar Nachkommen der deutschsprachigen Minderheit, Deutsch sprechen aber nur die wenigsten von ihnen, obwohl natürlich gerade ihre scheinbare Kenntnis der deutschen Sprache eines der wichtigsten Auswahlkriterien war. So werden sie halt nebst dem Schauspiel auch noch eine Sprache lernen müssen. Danach werden sie tatsächlich Nationalschauspieler sein, ihr Theater wird aber in der Provinz errichtet werden und auch Renommee und der Erfolg wird nicht ihrer eigentlich zugedachten Position entsprechen.

Alleine dieser (historisch übrigens zutreffende) Stoff bildet einen wunderbar absurden Hintergrund für einen Roman. Ein deutschsprachiges Theater in der kasachischen Steppe! Eleonara Hummel erzählt diese Geschichte in rasantem Tempo und aus einer Vielzahl von Betrachtungswinkeln. Die Kapitel sind kurz und mit jedem wechselt die Erzählperspektive zu einer weiteren Schüler*in, die alle als Ich-Erzähler fungieren. Das Figurenkabinett wird dabei beliebig erweitert, alle kommen zu Wort, auch wenn sie nur ein oder zweimal auftauchen sollten. Dass die Vielzahl an Figuren nicht zu einem Wirrwarr verkommt, liegt an der Stringenz, mit der Hummels Roman durchkomponiert ist. Wiederholungen kommen nicht vor, geschehenes wird aus einer Perspektive erzählt und danach geht die Geschichte weiter.

Natürlich lebt Die Wandelbaren auch von seinem historischen Stoff, von der Erdung in der Realität, von der tatsächlichen Absurdität seines Geschehens. Der Stoff dient dem Roman aber nur als Kulisse. Die Lebenskraft schöpft er aus seinen minutiös geplanten und erschaffenen Figuren und der bereits angesprochenen Komposition. Auch unter widrigsten Bedingungen wissen sich die Mädchen und Jungen vom Felde noch zu behaupten. Immer wieder passen sie sich mit dem, was man ihnen als Bauernschläue abtun würde, an neue Situationen an und holen den Umständen entsprechend das Beste heraus. Nie vergessen sie, wo sie herkommen oder wo sie hin wollen.

Gepaart werden diese Figuren mit einem leichten Ton und sanftem Witz. Hummels Stil ist unprätentiös, genauso wie es die Figuren auch sind. Die etwas mehr als 450 Seiten lassen viel Platz für Nebenschauplätze, trotzdem wirkt der Roman klar durchgetaktet und viel kürzer, als er eigentlich ist. Das liegt sicherlich auch daran, dass der Stoff dieser Geschichte sehr viel Spass bereitet und mit liebenswerten, manchmal ulkigen, Figuren bevölkert ist und durch rapides Erzähltempo vorangeprescht wird. Eine vergnügliche und beschwingte Lektüre.

Die Wandelbaren von Eleonara Hummel

Eleonara Hummel: Die Wandelbaren.

464 Seiten.

Müry Salzmann.

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Zum Buch: bedruckter Schutzumschlag · geprägter Einband (Karton) · farbiges Vorsatzpapier · Klebebindung

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