Eine Tochter sucht sich ihren Weg – Eine fremde Tochter von Najat El Hachmi

Übersetzt aus dem Katalanischen von Michael Ebmeyer

Najat El Hachmis Roman erzählt von einem Kampf zwischen einer neuen Welt und Lebenswirklichkeit und einer alteingesessenen, traditionsreichen Erwartungshaltung, die gerade an junge Frauen herangetragen wird. Wie viel dieser Kampf kostet, das schildert El Hachmi in diesem Buch.

Eine Tochter sucht sich ihren Weg

Eine junge Frau, Ich-Erzählerin der Geschichte, lebt zusammen mit ihrer Mutter im katalanischen Teil Spaniens. Sie sind von Marokko emigriert, der Vater ist bald nach der Übersiedelung verschwunden. Die junge Frau steckt am liebsten hinter einem Buch, sie ist gebildet, hat Abitur gemacht, für ihre Freunde und Lehrer scheint ganz klar, wo ihr Weg hinführen soll: an die Universität, zu einem Literaturstudium. Doch wie so oft im Leben, es kommt anders als gedacht, die streng religiöse Mutter hat da andere Vorstellungen, es soll geheiratet werden. Der passende Ehekandidat ist bereits gefunden, einer der marokkanischen Cousins der jungen Frau. Die Dinge gehen schnell, es wird geheiratet, der Cousin kommt nach Spanien, wo er auf dem Sofa herumgammeln wird, während seine Frau zwei Erwerbsarbeiten nachgehen muss, um alle irgendwie über die Runden zu bekommen.

Ganz eng verzahnt El Hachmi die Geschichte mit der Perspektive der Hauptfigur und Erzählerin. Ganz nah ist man ihr und ihrem Denken, wenn sich das marokkanische Arabisch komisch anfühlt, wenn sie sich gedrängt fühlt ein Kopftuch zu tragen, weil dies Mutter und Mann erwarten, wenn sie ihr eigenes Potenzial verschwinden sieht, weil die ihr zugetragene Rolle keinen Raum dafür vorsieht. Gerade die Mutter ist es, die immer wieder etwas von ihrer Tochter verlangt, von dem sie es selbst eigentlich besser wissen müsste, leidet sie doch selbst ungemein an diesem traditionellen Rollenbild, in dem sich auch ohne Ehemann und in der Fremde gefangen bleibt.

Der Erzählstil des Romans ist weitschweifig, gefühlt wäre es auch mit 100 Seiten weniger gegangen, aber gerade aus dieser kompletten geistigen Vereinnahmung seiner Protagonistin fängt der Roman auf, was mit ihr geschieht. Wie viel Kraft und Energie und damit schlussendlich auch Worte, dieser stetige Kampf mit dem tradierten und dem neuen Weltbild mit sich bringt. Wie sehr sich die junge Frau nicht einfach von ihren Wurzeln lösen kann, weil sie ja weiterhin Teil ihrer selbst bleiben. Michael Ebmeyers Übertragung ist zu grossen Teilen unauffällig (und das meine ich durchaus als Kompliment), stellenweise aber etwas geschwätzig, wenn sich etwa die Nebensätze ineinander verschachteln und dadurch die sprachliche Klarheit und analytische Schärfe des Denkens der Protagonistin etwas leidet.

Eine fremde Tochter macht wütend, weil der Roman Ungerechtigkeit darstellt und diese eisern durchexerziert. Die Themen des Romans sind gross, es geht um Migration, ein Zuhause finden, Religion, Tradition und ganz besonders um tradierte Rollenbilder. Man merkt dem Roman die autobiografischen Züge (El Hachmi ist selbst als Kind von Marokko emigriert und in Katalonien aufgewachsen) an, der existenzialistische Kampf um die Deutungshoheit über das eigene Leben, zwischen Tradition & Freiheit, zwischen den Kulturen und Sprachen, der wird in diesem Buch auf äusserst eindrückliche Art und Weise geschildert.

Eine fremde Tochter von Najat El Hachmi

Najat El Hachmi: Eine fremde Tochter.

Aus dem Katalanischen von Michael Ebmeyer.

Originalveröffentlichung 2015.

232 Seiten.

Orlanda.

Webseite zum Buch

Zum Buch: Klappbroschur (Karton) · Klebebindung

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