Besenfeminismus – Hexen von Mona Chollet

Übersetzt aus dem Französischen von Birgit Althaler

Knollennase mit Warzen und Rabe auf der Schulter? Mona Chollet entwirft in ihrem Buch ein Bild der Hexe, dass sich gängigen Klischees widersetzt: das einer selbstbewussten, selbstbestimmten Frau.

Besenfeminismus

Ich muss zugeben, meine Erwartung an Mona Chollets Hexen war eine andere, als die dann vom Buch verkörperte Wirklichkeit. Verlagstexte und Titel liessen mich (im Nachhinein auch mir etwas unverständlicherweise) irgendwie glauben, dass Mona Chollet eine Kulturgeschichte der Hexen geschrieben und daraus eine feministische Argumentation abgeleitet hat. Dem ist nicht so. Das hier ist eine besonnene, sorgfältig argumentierte Schrift über weibliche Eigenständigkeit, Kinderlosigkeit, Natur und Altern. Die Hexen sind also nicht Hauptthema des Buches, sondern bilden viel eher den Archetypus einer selbständigen, selbstbestimmten Frau, der den einzelnen Argumenten als loser Bezugspunkt dient.

Das Buch ist in fünf Teile gegliedert, wobei der erste sich tatsächlich mit Hexen beschäftigt und dort die Hexe archetypisch aufschlüsselt: eine Aussenseiterin, die ihr Leben selbständig und selbstbestimmt bestreitet, meist keine Kinder hat, grosses Kräuter- und Heilwissen besitzt und in fortgeschrittenem Alter ist. Diese Bestimmung nutzt Chollet für die vier Hauptteile ihres Buches, die das moderne Bild weiblicher Selbständigkeit, bewusster Kinderlosigkeit, weiblichem Altern und dem Verbund von Frauen und der “Natur” beleuchten. Chollet nutzt ihr Leitthema also sehr geschickt, um am Typus der Hexe ihre Argumentation festzumachen.

Die Beispiele im Buch haben etwas Ernüchterndes, es steht immer noch vieles, das selbstverständlich sein sollte in einer gleichgestellten Gesellschaft, in arger Schieflage. Chollet belegt das einerseits mit breiten popkulturellen Referenzen. Andererseits aber auch immer wieder anhand der Texte und Argumente ihrer geistigen Vorgängerinnen, wie etwa die amerikanische Autorin und Frauenrechtlerin Gloria Steinem. Chollet gelingt es besonders gut, Subtilitäten und unbewusstes Verhalten aufzuzeigen, etwa, weil sich Frauen die grauen Haare nicht mehr färben wollen oder weil sie sich weigern, Kinder zu bekommen. Sie versucht dabei auch, aufzuzeigen, wie mit diesen Missständen umgegangen werden kann. Hexen ist aber kein Buch, der Lösungsansätze. Verhandelt werden diese Umgangsformen aus rein weiblicher Perspektive und selten auf gesamtgesellschaftlicher Ebene.

Der Band ist sehr geschickt aufgebaut und zieht sehr viel Material aus dem zu Beginn aufgebauten Archetypus der Hexe. Die vier daraus abgeleiteten Leitthemen werden in scharfsinniger Manier abgearbeitet und problematisiert. Leider verpasst es aber Mona Chollet, ihren Argumenten einen abschliessenden Schliff zu verpassen. Nach dem vierten Teil endet das Buch abrupt. Eine Synthese und damit die Zusammenschliessung der Leitthemen zu einer Argumentation, wird ausgelassen, was aus meiner Sicht eine vertane Chance ist. Denn das Buch hat mit der Hexe ein sehr schönes, passendes und wunderbar verargumentiertes Leitmotiv, das leider nur in der Einleitung wirklich diskutiert wird, in den Hauptteilen treten die Verweise auf die Hexe(n) sehr stark zurück. Dementsprechend wäre ein letztes Kapitel, welches noch einmal aufgreift, wie sich die vier vorgebrachten Themen auf das zu Beginn entworfenen Urbild beziehen unabdingbar gewesen, für eine vollendete Argumentation.

Hexen ist spannend zu lesen, beleuchtet und bedenkt wichtige Themen aus neuen Blickwinkeln, präsentiert aber keine geschlossene, gerundete Argumentation. Denn daran muss sich ein argumentierendes Buch messen lassen, an der Güte seiner Argumente. Die sind durchweg grundsolide, die abschliessende Synthese, der letzte Schliff der Klinge fehlt aber und raubt diesem klugen Buch ein wenig von seiner Ausgereiftheit.

Hexen von Mona Chollet

Mona Chollet: Hexen. Die unbesiegte Macht der Frauen.

Aus dem Französischen von Birgit Althaler.

Originalveröffentlichung 2018.

Reihe: Nautilus Flugschrift.

288 Seiten.

Edition Nautilus.

Webseite zum Buch

Zum Buch: Broschur · Klebebindung

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