Die Geister vergangener Nächte – Schlaflos von Anders Bortne

Übersetzt aus dem Norwegischen von Sabine Richter

Die Geister, von denen Anders Bortne heimgesucht wird, gehören leider nicht zu einer schönen Weihnachtsgeschichte mit einem glücklichen Ende. Sie sind seine schlaflosen Vorgänger der vergangenen Nächte, die ihn wissen lassen, wie sein Tag aussehen wird.

Die Geister vergangener Nächte

Der norwegische Schriftsteller Anders Bortne kann seit 16 Jahren nicht schlafen. In seinem ersten Sachbuch nimmt er uns mit auf diese Reise. Ende seiner Zwanziger hat die Schlaflosigkeit angefangen und ist seither nicht mehr verschwunden. Es gibt gute Nächte, solche, in denen er acht Stunden zusammenbringt. Sie sind aber selten. Öfters sind es Geisternächte mit zwei, drei, vielleicht mal fünf Stunden Schlaf. In einer Mischung aus Sachbuch und Autobiografie – nennen wir es Bericht – erzählt Bortne also von seinem langen Kampf mit seinen eigenen Geistern.

Ein gutes Jahr aus Bortnes Leben wird im Buch nacherzählt. Seine Schlafstörung ist so ausser Rand und Band geraten, dass er sein normales Arbeits- und Familienleben kaum mehr bewältigen kann. Lange hatte er auf Hilfe verzichtet, weil nichts half, egal was er auch versuchte. Nun ist es aber wieder so schlimm, dass sich Bortne erneut auf die Suche macht. Er tut dies radikal, von Yoga über Retreatwochenenden zu Hypnosen, er probiert wirklich jede nur erdenkbare Methode, jede Betrugsmasche, jeden wissenschaftlichen Ansatz, um der Schlafstörung Herr zu werden.

Erzählt werden diese Versuche in sehr charmanter, selbstironischer Form. Man merkt Bortne die sechzehn langen Jahre in Schlaflosigkeit an, es gelingt ihm eindrücklich, seine Schlafstörung und die damit einhergehenden Folgen erlebbar zu machen. Dazu gehört auch das detaillierte Nachzeichnen dessen, was diese Krankheit mit einem “normalen” Leben anstellen kann. Durch die Verknüpfung ins Persönliche hat das Buch einen sehr flüssigen Plauderstil, der das Ganze zu einer süffigen Lektüre macht, was auch an der Übertragung liegt. Die Übersetzung von Sabine Richter ist sehr geschmeidig und unverblümt und wirkt dadurch sehr elegant und anregend beim Lesen.

Schlaflos ist aber nicht nur ein autobiografischer Bericht, es ist auch ein Sachbuch, welches gewisse Informationen und Erkenntnisse aus der Schlafforschung vermitteln will. Hier stösst aber die Vermischung der beiden Textgattungen an Grenzen. Gerade, wenn wissenschaftliche Grundlagen dargestellt werden, wirkt der Ton teilweise unangebracht plauderhaft und etwas naiv, auch, weil sich alle diese Grundlagen nur auf eine hauptsächliche Quelle stützen. So habe ich an solchen Stellen ab und an die Substanz vermisst, die man den Themen auch hätte beimessen können.

Das ist nicht unbedingt ein Problem des Autors oder der Übersetzung, sondern hauptsächlich ein Problem der Form, die genau da an ihre Grenzen stösst. Wer mehr über den Schlaf/Schlafstörungen und seine Ursachen finden möchte, wird sie in Schlaflos eher nicht finden. Und so spricht auch der Untertitel Wie ich nach tausend Nächten endlich Ruhe fand Bände. Der Band ist ein persönlicher, spannend zu lesender Bericht. Nicht mehr, nicht weniger und funktioniert gerade eben in den autobiografischen Geistermomenten am besten.

Hervorzuheben am Buch ist aber auch noch die Gestaltung. Wie man es vom mairisch Verlag kennt, mittlerweile wohl schon fast erwarten darf, ist das Buch sehr hochwertig und aufwendig produziert. Der Einband ist fluoreszierend, das Papier schwer, der Satz makellos. Ein physisch durch und durch gelungenes Stück Buch.

Schlaflos von Anders Bortne

Anders Bortne: Schlaflos. Wie ich nach tausend Nächten endlich Ruhe fand.

Aus dem Norwegischen von Sabine Richter.

Originalveröffentlichung 2019.

232 Seiten.

mairisch.

Webseite zum Buch

Zum Buch: bedruckter Einband (Karton) · fluoreszierendes Cover · farbiges Vorsatzpapier (grün) · Lesebändchen (schwarz) · Klebebindung

Mehr über die Bücher des mairisch Verlages:
Den mairisch Verlag sollte eigentlich jede*r kennen, der sich mit unabhängigen Verlagen beschäftigt. Einerseits weil der 1999 gegründete Hamburger Verlag 2013 den indiebookday ins Leben gerufen hat, andererseits aber natürlich auch, weil vom Verlag seit Anbeginn herausragende Bücher (nebst CDs und LPs) veröffentlicht werden. 2019 mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet.