Wallace von Anselm Oelze

Wallace von Anselm Oelze.

Alfred Russell Wallace war ein britischer Abenteurer und Forscher, der im 19. Jahrhundert durch Brasilien und den Malaiischen Archipel getourt ist. Dabei hat er nicht nur die Trennlinie australischer und asiatischer Arten entdeckt, er hat im Fieberwahn auch die Entdeckung gemacht, wie Arten entstehen und sich entwickeln: durch natürliche Selektion. Richtig, die Evolutionstheorie wurde eigentlich zuerst von Wallace entdeckt, der die Niederschrift seiner Theorie Charles Darwin zugeschickt hat. Die Entstehung der Arten erschien etwas mehr als ein Jahr nachdem Darwin den Aufsatz von Wallace erhalten hatte. Dieser ursprüngliche Aufsatz wurde zu Lebzeiten Wallaces dann gar nicht veröffentlicht, dementsprechend wurde Darwin, und nicht etwas Wallace, bekannt für die von beiden gemachte Entdeckung der Evolutionstheorie. Wallace ist heute mehr oder weniger vergessen.

In Anselm Oelzes Debütroman werden in verschiedenen Episoden ausgewählte Stationen des Lebens von Wallace geschildert. So etwa wie Wallace im brasilianischen Dschungel nach Schmetterlingen jagt oder wie er in der englischen Heimat nach Liebe und einer Frau sucht. Thematisiert wird aber nicht nur die Lebensgeschichte von Wallace und wie es zu seiner Entdeckung der Evolutionstheorie kam, sondern auch sein Vergessen. Dies geschieht mithilfe einer Rahmenhandlung. Albrecht Bromberg ist Nachtwächter in einem Museum für Natur- und Menschheitsgeschichte und stolpert dort zufällig, im wörtlichen Sinne, über Alfred Russel Wallace. Fasziniert davon, dass der eigentliche Entdecker der Evolutionstheorie heute mehr oder weniger vergessen gegangen ist, startet Bromberg Nachforschungen in seinem Bekanntenkreis.

Rahmenhandlungen in historischen Romanen sind ja immer ein heikles Thema. Gerade wenn man sich darauf freut, in einer unbekannten historischen Periode zu versinken, können sie ganz schön nerven. Oftmals muten sie ja auch als Notfallkonstruktionen an, weil die Autor*in ansonsten den Stoff nicht zu Boden gebracht hätte. Glücklicherweise ist das in Wallace nicht der Fall. Die Rahmenhandlung ist sehr gekonnt konstruiert und füllt genau die Leerstellen, die es dem Erzähler dann erlauben, wirklich nur ausgewählte Situationen und Stellen aus dem Leben Wallaces nachzuzeichnen.

Bromberg ist zu grossen Teilen Spiegelbild der Lesenden und stellt sich genau die Fragen, die man beim Lesen auch gerade beantwortet haben möchte. Zudem ist die Geschichte um Bromberg konsequent auf Wallace ausgerichtet, macht also nicht den Fehler, noch eine riesige Geschichte um Bromberg herumzukonstruieren. Dieser Roman wäre um einiges schlechter, gäbe es Bromberg nicht. Ab der zweiten Hälfte beginnt das Leben von Wallace etwas an dramaturgischer Kraft zu verlieren, aber genau im richtigen Moment wird der Spannungsbogen der Rahmenhandlung angezogen. Anstelle einer drögen zweiten Hälfte ist so nun eine äusserst spannende und schön gerundete zweite Hälfte entstanden.

Entdecker- und Abenteuerromane sind mir seit jeher ungemeines Faszinosum. Rein thematisch konnte hier also nicht viel schiefgehen, hat dieser Roman doch wirklich alles: nackte Schmetterlingsjagden, versunkene Schiffe, verlorene Frachten, vergessene Forscher, zart zwischenmenschliches und eine spannende historische Epoche. Oelzes Sprache ist schlicht und fliessend, unterstützt dabei stets die Geschichte, die auf mich eine ungemeine Sogwirkung hatte. Es gibt ein, zwei Punkte, die mich ein wenig gestört haben wie etwa den Entscheid, Wallace konsequent als der junge Bärtige zu bezeichnen. Ansonsten ist Wallace pures Lesevergnügen. Gekonnte Rahmenhandlung, spannende historische Bezüge und eine vergessene Figur der Wissenschaft bilden eine gelungene Kombination.

Wallace von Anselm Oelze.

Anselm Oelze: Wallace.

264 Seiten.

Schöffling & Co.

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Zum Buch: bedruckter Umschlag · Einband (Karton, blau, gerillt) · Klebebindung · bedrucktes Vorsatzpapier (historische Karte) · Lesebändchen (schwarz)

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